30-second unskippable ads: schweren Herzens versetzt YouTube den Gnadenstoß

Wer kennt das nicht? Man hat den gewünschten Clip in der YouTube-Suche gefunden, klickt ihn an und das Erste, was man sieht ist die “30-second unskippable ad” von YouTube. “Video wird nach der Werbung abgespielt.” steht da und man erlebt die längsten und ätzendsten 30 sekunden seines Lebens. Doch damit ist jetzt Schluss! YouTUbe erklärte, dass die 30-second unskippable ads der Vergangenheit angehören sollen – jedenfalls ab 2018.

30-second unskippable preroll ad

Das 30-Sekunden Monster schimpft sich im YouTube-Jargon 30-second unskippable preroll ad und man fragt sich, was sich die Herren dabei gedacht haben. Es ist mehr als bekannt, dass die Geduld des heutigen Surfers keine 30 Sekunden anhält. Auf Webseiten klicken Nutzer (der Average-Nutzer) nach spätestens 10 bis 19 Sekunden weg, wenn das Informationsbedürfnis nicht befriedigt werden kann.

Bei YouTube-Clips ist das Publikum noch um einiges jünger als beim Average-Nutzer. Die Erlebenssituation ist noch etwas gespannter und emotionsgeladener. Meist sucht man nach einem emotionsbesetzten Thema, die Erwartung der Bedürfnisbefriedigung ist ungleich angespannter. Dies sind drei Faktoren, von denen jeder für sich bereits die Standard-Geduldsspanne von 10-19 Sekunden um weitere 3-4 Sekunden reduziert. Oder anders herum: Nach 10 Sekunden muss dem Nutzer der Geduldsfaden reißen und er klickt weg.

What will work well?

Das haben die Herren von YouTube letztlich auch einsehen müssen. Man beschloss kürzlich, die 30-Sekunden-Monster zum Ende 2017 zu beerdigen. Allerdings hat man sich den Weg offen gehalten, andere Formate als Ersatz nachzuschieben. Formate, that work well for both users and advertisers. Was “Work well” letztlich bedeuten soll, bleibt offen. Man darf vermuten, dass hier die Schmerzgrenze der Nutzer angesprochen wird.

Strategie: Google vs. Apple

YouTube und Apple fahren unterschiedliche Vermarktungsschienen. Während Apple clevererweise Content vermarktet, setzt YouTube auf die Vermarktung von Werbeplätzen, ganz in guter alter Google-Tradition. Da hat YouTube wenig Bewegungsspielraum, denn der Wegfall von Werbeplätzen bedeutet zunächst auch einen Wegfall von Einnahmequellen.

Apples Strategie ist deswegen cleverer, weil Apple seinen Kunden Content präsentiert, den man lieben kann. Fast immer trifft der Nutzer auf positiv besetzte Angebote. Da hat es Apple leichter, sich die Sympathien seiner Kunden zu sichern.

Google nervt mit seiner Werbung, die mehr als einmal bis an die Schmerzgrenze geht. Da verscherzt man sich schon mal die Sympathien. Der gebürtige Moskauer und Google-Mitbegründer Sergej Brin hat da möglicherweise etwas viel “russische Schmerzfreiheit” in sein Business integriert. Von Empathie zeugt die Google-Strategie jedenfalls nicht, mehr von konsequentem Nutzen der eigenen Marktmacht.

Braucht die Customer Journey diesen negativen Touchpoint wirklich?

Die Werbetreibenden verstehen wohl bis heute nicht, worauf sie sich mit der Schaltung der 30-second unskippable preroll ad eingelassen haben. Der Nutzer nimmt Marke und Produkt in einem stark negativ erlebten Kontext wahr. Wie die Marke dort mit positiven Nutzererlebnissen aufgeladen werden soll, erschließt sich mir nicht. Die so oft beschworene Customer Journey gelangt hier an einen äußerst negativen Touch Point. Aber man braucht ja Reichweite – um jeden Preis!

Fazit

Bei der Vermarktung von YouTube-Channeln waren die 30-second unskippable preroll ad für uns ohnehin noch nie eine Option. Hier wird sich für uns nur wenig ändern. Für uns als YouTube-Nutzer könnte sich (leider erst ab) 2018 das YouTubisieren angenehmer gestalten, je nachdem, was mit “works well” gemeint ist.

Ein Fazit ist aber auch, dass selbst YouTube sich durch Nutzerfeedback zum Umdenken zwingen lässt. Noch eine Erkenntnis ist, dass der Kurs von YouTube sich so schwerfällig ändert, wie der Kurs eines Öltankers. Würde man die Nutzerlebnispredigten von Google für bare Münze nehmen, hätte man das Format 30-second unskippable preroll ad wenn nicht von Anfang an unterlassen, dann doch zumindest jetzt sofort zu Grabe tragen müssen. Aber offensichtlich kann man sich bei YouTube dem Liebreiz des Mammons nicht wirklich entziehen, während man dem Kanalbetreiber im gleichen Atemzug Auflagen macht, wie er aus Gründen eines positiven Nutzererlebnisses zu verfahren habe.


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