Putin marschiert in Polen ein

Natürlich ist dies nicht der Fall. Noch nicht. Aber was wäre, wenn Sie ein Video sehen würden, in dem russische Panzer in Polen einrollen. Würden Sie kritisch Ihren Verstand einschalten oder in Schockstarre verfallen und panisch Ihre Familie anrufen? Kämen Sie auf die Idee, dass dies ein Deepfake sein könnte, und wie wäre dies überhaupt zu entlarven? Den Begriff sollten Sie sich auf jeden Fall merken. Stellt diese Art der täuschend echt wirkenden Fälschung von Medieninhalten doch eine ernst zu nehmende Gefahr dar. Täglich werden wir von Meldungen überflutet. Dabei sind wir vor Manipulationen nicht gefeit – und diese werden immer dreister. Das jede Seite ihre Sicht darstellt und dabei Wahrheit verloren geht, sollte jedem klar sein. Die heutigen digitalen Möglichkeiten machen es Personen ohne Rückgrat und mit böswilliger Absicht aber immer einfacher. Menschliche Schwächen werden gezielt ausgenutzt, um zu vertuschen oder den eigenen Nutzen zu vergrößern. Ein ganz großes Thema sind dabei aktuell die Möglichkeiten des Deepfake.

Deepfake lässt die Realität verschwimmen

Ein Deepfake nutzt künstliche Intelligenz (KI), um Medieninhalte wie z.B. ein Video zu Verändern und Verfälschen. Der Begriff setzt sich aus „Deep Learning“ und „Fake“ zusammen. Dabei wird entweder das Gesicht einer Person durch ein anderes getauscht („Face Swapping“), ein Audioinhalt verändert („Voice Swapping“) oder es werden sogar Körperbewegungen übertragen („Body Puppetry“). Auf TikTok kann man Putin in verschiedenen Videos bewundern wie er augenscheinlich in der Sauna schwitzt, tanzt oder sich sportlich betätigt. Definitiv ein Fake, ein Deepfake.

Falsches Fake-Video geht viral

Wie schwer es ist dies von der Realität zu trennen, zeigt eine aktuelle, volksnahe Aufnahme von dem russischen Präsidenten. Darin scheint seine Hand an einer Stelle durch das Mikrofon zu greifen. Eine Fälschungsaktion der russischen Regierung wird vermutet, und prompt geht das Video viral. Auch der Stern berichtete darüber. In dem Fall gibt es jedoch eine einfache Erklärung, und der Fake ist gar kein Fake. In der komprimierten Version wurden Pixel zusammengefasst. Diese des Mikros wurden mit jenen der Hand vermischt, und so entstand in Non-HD der Eindruck einer „Geisterhand“.

Einfache Manipulation selbst professioneller Videos

Viele Menschen denken wohl noch immer, dass sich ein professionelles Video nicht so einfach authentisch fälschen lässt. Das ist nicht richtig. Bereits 2016 haben deutsche Wissenschaftler bewiesen, dass es mit der richtigen Software ein leichtes ist, die Gesichtszüge fremder Persönlichkeiten zu kontrollieren. Sei es die Mimik von Trump oder Putin, der auf einmal sogar lächeln kann. Zu dem Team gehörte auch Prof. Dr. Matthias Niessner, der aktuell an der TU München an KI-Methoden forscht, Deepfakes zu enttarnen. Auch wenn der Hintergrund der damaligen Forschung ein anderer war, so hofften die jungen Männer auch, dass ihre Arbeit zeigt wie mühelos ein Video authentisch gefälscht werden kann. Im Folgenden Video können Sie sich selber einen Eindruck verschaffen:

Kein Schutz vor Deepfake

„Solange ich atme, hoffe ich“, dazu hat sich bereits Cicero bekannt, und von seiner Gültigkeit hat dieser Spruch wohl nichts verloren. Hoffnung hält auch die Menschen im aktuellen Zeitalter aufrecht. So gelten kritischer Verstand und Digitalkompetenz als Waffe gegen böses Gedankengut und Deepfakes. Auch die Bundesregierung sieht die Vermittlung als Kernaufgabe. Mit dem Ziel, dass Falschinformationen und insbesondere ein Deepfake von der Bevölkerung erkannt werden. ABER! Es ist Tatsache, dass ein Deepfake schon heute nicht mehr von einem echten Video zu unterscheiden ist. Mit bloßem Auge hat man keine Chance. Und es fragt sich, inwieweit die Technik verlässlich der Enttarnung dient. Hier kämpft dann KI gegen KI.

Im Krieg lebt die Lüge: Deepfake als Bestandteil moderner Propaganda

Ein geflügeltes Wort, das ebenfalls seit jeher Gültigkeit hat und sich nicht mal mehr einer Person zuordnen lässt: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“ Und dabei ist es egal, was für ein Krieg gemeint ist. Ob der Kleinkrieg im Alltag oder ein wahrhaftiger Krieg wie wir in gerade in der Ukraine erleben. Die Lüge ist in solchen Zeiten ein wesentliches Tool. Ohne Propaganda und Gehirnwäsche wäre Krieg nicht möglich. Insofern ist der Spruch nicht ganz richtig. Die Wahrheit stirbt bereits vor dem Krieg. Was sich in der heutigen, digital geprägten Gesellschaft jedoch geändert hat, sind die Waffen. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass Deepfakes künftig Bestandteil der modernen Kriegsführung sind. Was wäre, wenn auf Grund eines Deepfake-Videos dann eine Entscheidung getroffen wird, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Und auf einmal marschiert Putin wirklich in Polen ein.